Lesung & Gespräch

Sarajevo Vernesa Berbo und Nenad Veličković im Gespräch mit Vivian Perkovic. Aus dem Bosnischen übersetzt Christoph Rolle, es liest David Ruland. 11.11.25 in Berlin, Li-Be in Moabit

Dienstag 11.11.25
Einlass: 18:30, Beginn: 19:00
Li-Be in Moabit, Alt-Moabit 62-63, 10555 Berlin

Tickets – Sarajevo Berlin

PreiskategoriePreisAnzahl 
regulär 9,00 € 
ermäßigt 6,00 € 
Berlin-Ticket S 3,00 € 

Informationen

Sarajevo vor dreißig Jahren. Es herrscht Krieg. Die Stadt ist belagert. Die Menschen harren aus, kämpfen und versuchen trotzem ihr Leben zu leben. So wie die beiden Protagonistinnen in Nenad Veličkovićs und Vernesa Berbos Romanen, die an diesem Sarajevo-Abend aufeinandertreffen. 

Da ist zum einen Maja, Nenad Veličkovićs Protagonistin in »Nachtgäste«. Sie ist achtzehn Jahre alt und sollte Besseres zu tun haben, als in einem Keller zu sitzen und zu schreiben. Aber draußen ist Krieg, ständig kracht es irgendwo, Granaten regnen auf Sarajevo. Und drinnen, im Untergeschoß eines Museums, hat sich eine Notgemeinschaft zusammengefunden, die dem Schrecken trotzt: die vegetarische Mutter mit einem Hang zur Esoterik, die Großmutter und ihr eifersüchtig gehüteter Koffer, der Halbbruder und seine schwangere Frau, die ihre Hypochondrie pflegt, der Vater als Direktor des Museums, zwei Partisanen und der Hund Sniffy. Den Zumutungen ihrer Lage begegnet Maja mit entwaffnendem Humor und Scharfsinn. Und sie nimmt kein Blatt vor den Mund, wann immer ihr die Erwachsenen mit Worthülsen, Phrasen und Vorurteilen die Welt erklären wollen.

Vor dreißig Jahren erschien Nenad Veličkovićs gefeierter Roman erstmals. Nun wurde er neu aufgelegt. Veličković nimmt dem Krieg jede Heroik und setzt seiner Heimatstadt Sarajevo zugleich ein Denkmal. Es ist ansteckend komisch und tief berührend zu sehen, wie sich aus der vermeintlich naiven, offenherzigen Perspektive seiner Hauptfigur der Horror des Krieges in etwas verwandelt, das uns Mut machen kann.

Und da ist zum anderen Dijana, Vernesa Berbos Protagonisten in »Der Sohn und das Schneeflöckchen«. Sie ist Schwester, Tochter und Soldatin. Auf die Frage, warum sie »Sohn« genannt wird, lächelt ihr Vater nur geheimnisvoll, als wüsste er etwas über sie, das früher oder später alle sehen würden. Dijana ist selbstbewusst und leidenschaftlich, vor allem aber ist sie die Beschützerin von Dada, ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester. Mit Beginn der Belagerung Sarajevos im Jahr 1992 wird Dijana klar: Es ist an ihr, ihre Schwester, das »Schneeflöckchen«, lebend durch den Krieg zu bringen. Schon bald landet Dijana mit ihrem Vater an der ersten Frontlinie, und während Dijana dem Krieg mit Härte begegnet, klammert sich Dada an Mirza, ihre erste große Liebe.

So zärtlich, dennoch kompromisslos und zugleich voller erzählerischer Kraft ist selten über den Krieg und die Liebe entgegen allen Widrigkeiten geschrieben worden. Vernesa Berbo ist Überlebende der Belagerung Sarajevos und stößt uns mitten hinein in jene Realität des Krieges, die noch immer zu wenig Beachtung findet: das Schicksal der Frauen, ihre tiefe seelische Verwundung, aber auch ihre große innere Stärke.

Im Gespräch mit der Kulturzeit-Moderatorin Vivian Perkovic sprechen Vernesa Berbo und Nenad Veličković über ihre Romane und Sarajevo vor dreißig Jahren. Aus dem Bosnischen übersetzt Christoph Rolle. Es liest David Ruland. 


Eine Veranstaltung in Kooperation mit traduki. 


Vernesa Berbo »Der Sohn und das Schneeflöckchen«, Frankfurter Verlagsanstalt 2025 

Nenad Veličković »Nachtgäste«, Jung & Jung 2025